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Barkhausen Institut

Woher der Wind weht

Durch eine Technologie, die unter Mitarbeit des BI Gastprofessors Heinrich Meyr entstand, könnte der Wunsch vieler Segelflugpiloten nach einer präzisen Echtzeitanzeige des Windes schon bald in Erfüllung gehen. In der März/April-Ausgabe erklärt das „Segelfliegen Magazin“ ausführlich, wie eine neue Art Steigmesser das Fliegen bald sicherer und noch schöner machen könnte. Die Forscher verwenden dabei einen Algorithmus, der auf einem dreidimensionalen Winddreieck basiert und entwickelten die dazu passende Hardware HAWK bestehend aus einem Mikroprozessor und einer Sensoreinheit. Ihre Idee schafft gerade den Sprung von der Forschung in die industrielle Produktion. Wir geben einen Überblick.

 

Die Pilotin des Segelfliegers hat sich den alten Menschheitstraum vom Fliegen erfüllt. Ihr Flugzeug kommt ganz ohne motorisierten Antrieb aus, allein die umgebenden Winde und ihr Können halten es in der Luft. Dazu gehört neben einer gehörigen Portion Mut viel technisches Verständnis über Wetterlagen, Thermik und die Physik des Fliegens.

Ihr Sport ist nicht ohne Risiko, denn Windverhältnisse können sich schnell ändern. Um sich keiner unnötigen Gefahr auszusetzen, müssen Segelflugpiloten daher stets über die herrschenden Bedingungen informiert sein. Eine besondere Herausforderung stellt dabei der Umgang mit dem Steigmesser (Variometer) dar. Das Gerät ist das zentrale Hilfsmittel, um Aufwinde aufzuspüren und effizient auszunutzen bzw. um unerwünschte Abwinde anzuzeigen, so dass sie schnell durchflogen werden können. Segelflugpiloten sind darauf angewiesen, schließlich müssen sie die Bewegungen der Luftmassen zu ihrer eigenen Sicherheit unbedingt richtig beurteilen. Die aktuell verfügbaren Total-Energie-Kompensierten Variometer (TEK Varios) sind zwar präzise Geräte, doch gibt es bestimmte Situationen, in denen sie versagen. Trifft zum Beispiel eine Horizontalböe auf das Segelflugzeug wird dies vom TEK Vario fälschlich als Sinken oder Steigen interpretiert. Erfahrene Piloten haben gelernt mit dieser Ungenauigkeit ihres Varios umzugehen. Sie kalkulieren die Abweichung selbst ein. Dennoch führt dieser systematische Fehler immer wieder zu Unfällen. Reißt beispielsweise am Hang unter böigen Bedingungen unerwartet die Strömung ab, kann es schnell lebensgefährlich werden. Piloten wünschen sich deshalb schon lange eine genaue Echtzeitanzeige des Windes, damit sie exakt wissen, wie sich die Luftmassen in ihrer Umgebung bewegen.

Prof. Heinrich Meyr, Gastprofessor am Barkhausen Institut, und Dipl.-Ing. Peng Huang, Mitarbeiter am Vodafone Stiftungslehrstuhl der TU Dresden, nahmen sich der Problematik an und haben die, dem Variometer zugrundeliegende, Messmethode völlig neu gedacht. Ihre Entwicklung eliminiert die bisherige Schwachstelle, nämlich den störanfälligen Magnetsensor. Die Forscher schufen ein völlig neues dreidimensionales Windmodell und entwarfen dazu einen Algorithmus, der eine möglichst genaue Windanzeige für alle drei Dimensionen des Raumes liefert. Eine sekundengenaue Windmessung wird somit möglich. Damit ihre Technologie im Segelflugsport zum Einsatz kommen kann, entwickelten die Forscher zusätzlich die so genannte HAWK-Einheit, bestehend aus einem Mikroprozessor und einer Sensorbox. Im Mikroprozessor läuft ein mathematisches Modell, welches in Echtzeit die Bewegung des Flugzeugs, die Bewegung der Luft, sowie die Abweichungen der Sensoren berücksichtigt. Das Modell enthält alle wichtigen Zustandsgrößen, wie die Position, die Fluggeschwindigkeit relativ zum Boden, die Windgeschwindigkeit. In der Sensorbox befinden sich neben GPS eine Reihe an Sensoren, welche die Beschleunigung, die Veränderung der Winkel, sowie den statischen und den dynamischen Druck bestimmen. Derzeit läuft HAWK prototypisch auf den Plattformen S10/S100 des Unternehmens LXNAV und wird im Verlaufe dieses Jahres auf den LX 9000 Geräten verfügbar sein.

Piloten, welche den HAWK bereits im vergangenen Jahr testen durften, zeigen sich begeistert. HAWK wäre fähig den oben beschriebenen unerwarteten Strömungsabriss zu verhindern. Es kennt die Lage des Flugzeugs im Raum und kontrolliert den sogenannten Anstellwinkel. Wird dieser zu groß, kann das Gerät eine Warnung an den Piloten ausgeben und Risiken minimieren. Zudem kann die deutlich höhere Präzision den Segelflugpiloten künftig neue Möglichkeiten eröffnen. Insbesondere im Gebirgsflug, beim Hang- und Wellenfliegen wissen die Piloten die sekundengenaue Windinformation zu schätzen. Aber auch bei weniger anspruchsvollen Bedingungen ist Windinformation sehr wichtig. Piloten können die Informationen des HAWK nutzen, die Thermik zielgerichtet finden und so ihren Flug optimieren. So wird Segelfliegen noch schöner.

Neben der speziellen Anwendung im Segelflugsport könnte diese neue Technologie zukünftig auch bei vernetzten unbemannten Drohnen genutzt werden. Sie sollen perspektivisch u.a. im Transportwesen zum Einsatz kommen. Auf modernen Baustellen könnten sie zudem Arbeiten wie das Spritzen von Fassaden oder das Anbringen von Dämmungen übernehmen. Die HAWK-Technologie kann auf diese Weise im Internet-der-Dinge, an dessen Vertrauenswürdigkeit das Barkhausen Institut intensiv forscht, einen deutlich breiteren Nutzen haben.